Angekommen in Georgetown/Grand Cayman
Nach fünf Tagen segeln, mit sehr fairen Bedingungen, sind wir heute früh hier angekommen. Wir konnten fast die komplette Strecke von 650 Seemeilen unter Segel zurücklegen. Nur am dritten Tag machte der Wind eine kleine Verschnaufpause und wir mussten insgesamt 17 Stunden Motorboot spielen. Insgesamt war dies ein perfektes Wetterrouting (Eigenlob stinkt), Meno Schraders Team von Wetterwelt.de unterstützte uns zuverlässig mit täglichen Wetterdaten über SSB-Funk. Die Wettersituation vor Cartagena war am Mittwoch, 13.02. perfekt zum Auslaufen, moderater Wind und Wellen unter drei Meter. Bereits zwei Tage später hatte sich vor Kolumbiens Karibikküste wieder der ultimative Hack (böige Winde mit 7-8 Beaufort und eine Wellenhöhe die man am liebsten gar nicht wissen will) eingestellt. Für uns witzig in diesen Zusammenhang, für Profi-Kapitän Mike eher weniger witzig, dass er für seinen Boss das riesen Yacht-Monstrum von Cartagena nach Santa Marta/Kolumbien überführen soll und er seit Wochen darauf wartet, dass sich die Wettersituation bessert. Mit so einem Monstrum gegen Wind und Wellen an zu bolzen ist nicht vergnügungssteuerpflichtig, auch mit zig hundert PS nicht. Mit dem Segelboot ist nahezu es ausgeschlossen, da bleibt nur die Möglichkeit einige hundert Meilen in die Karibische See rein zu segeln, zu wenden und zu hoffen dass man am Ende nicht wieder in der Nähe des Startpunktes landet, weil Wind, Welle und Strömung gegen einen arbeiten. Ideal wäre ein rechtwinkliges Dreieck zu segeln. Theorie.
Nun sind wir nun also nach genau zwei Jahren wieder hier auf den Cayman Islands und hängen an einer kostenlosen roten Mooringboje im Bojenfeld. Kaum zu glauben, es kostet nichts hier festzumachen und die Hafenbehörde meinte die Sunrise darf 30 Tage hier bleiben und wir sollen uns wohlfühlen. Enjoy!
Ja, jetzt kann der Urlaub beginnen.
Fazit Kolumbien
Weshalb kommen so wenig europäische Segler nach Kolumbien?
Diese Frage stellte uns ein Kolumbianer im Club de Pesca de Cartagena. Er, Clubmitglied, hatte sein wunderschönes und top gepflegtes klassisches Holzsegelboot zwei Plätze neben uns an der Muelle 3 festgemacht. Muelle (Steg) 3, der Arbeitssteg und Steg für Gastlieger. Auf seinem Boot wienerten, schmirgelten, ölten und lasierten die Arbeiter tagelang. Als sie fertig waren, dürfte das Ausstellungsstück wieder an die Muelle 1 zurückkehren. Dort konnte die Yacht von den Gästen des sterneverdächtigen Restaurants bewundert werden. Zu Recht.
Nun zur Fragestellung, weshalb so wenig europäische Segler nach Kolumbien kommen.
1. Kolumbien liegt außerhalb der klassischen Atlantikrunde. Viele Segler kommen um die Weihnachtszeit über den Atlantik und segeln in den folgenden Monaten die Antillen rauf und/oder runter. Ein Teil der Segler verlässt die Karibik und kehrt im Mai über die Bermudas oder direkt von St. Martin aus nach Europa zurück. Der andere Teil sucht sich spätestens im Juli, vor der Hurrikan Saison, einen sicheren Platz für das Boot im Süden von Grenada oder besser noch in Trinidad. Hiervon wiederum bleibt ein Teil der Segler an Bord, der andere Teil stellt das Boot an Land und fliegt für sechs Monate nach Hause. In der kommenden Saison teilt sich der verbliebene Rest in Antillen-rauf-und-runter-Segler und Segler die über Puerto Rico, Jamaika, Kuba, Mexiko entweder nach Guatemala für die nächste Hurrikanzeit in den Rio Dulce gehen oder weit in den Norden der US-Ostküste in die Chesapeake Bay.
2. Die wenigen Segler, die im Süden der Antillen sind oder von Brasilien, Suriname etc. kommen, und es wagen, an der Küste von Venezuela entlang zu segeln und auch die venezuelischen Inseln Margarita, Los Aves, Los Roques zu besuchen sind die Ausnahme. Dies war aufgrund der Situation dort in den letzten fünf Jahren nicht empfehlenswert. Der logische südliche Weg weiter ist über die ABC Inseln nach Kolumbien oder Panama zu gehen. Einige Segler, so wie wir, gehen direkt nach Curaçao. Lagern dort, außerhalb der Hurrikanzurichtungen das Boot ein und fliegen für sechs Monate nach Hause. Von hier aus ist es in der folgenden Saison unproblematisch nach Jamaika und Kuba zu segeln und sich den Seglern auf der Atlantikrunde anzuschließen. Einige wenige nehmen den Weg über Aruba nach Santa Marta/Kolumbien. Hier ist das Capo de la Vela berüchtigt für seine Starkwinde und die extreme See. Wir starteten 2018 zu Dritt von Curaçao aus nach Santa Marta bei sehr guten Wetterbedingungen. Auf zwei von drei Booten gab es Schäden, einem zerriss das Vorsegel in einer Böe, der andere verlor sein Vorstag. Beides konnte in Santa Marta repariert werden.
3. In Kolumbien angekommen bleiben die Möglichkeiten für europäische Segler sehr beschränkt. Es gibt nur drei Marinas. Santa Marta, Puerto Velero und Cartagena. Ankern ist möglich, aber nur in der Nähe der Marinas und/oder nach vorheriger Genehmigung der Behörden. Für die Einklarierung muss zwingend ein maritimer Agent genommen werden. In Santa Marta erledigt dies die Marina. Die Behördenvertreter kommen an Bord, protokollieren was an technischen Geräten da ist, schreiben zum Beispiel die Motornummer auf. Alles korrekt. Die Einklarierungsprozedur für Schiff und Mensch dauert mindestens fünf Tage. In dieser Zeit sind auch die Reisepässe weg und man kann sich nur in Santa Marta aufhalten. Wer eine Reise ins Landesinnere machen möchte, oder wer eilig weiter will, muss sich gedulden. Die IGY Marina Santa Marta liegt zentral mitten in der Stadt. Der Standard ist in Ordnung. Sehr problematisch sind die abendlichen Fallwinde, die aus der Sierra Nevada auf die Stadt runterknallen. Es gibt an einigen wenigen Tagen schon mal Sturmstärke in der Marina und Ausleger der Schwimmstege werden abgerissen. Selbst gesehen im Februar 2018. Es ging ein französischer Katamaran gegenüber von uns mit abgerissenem und an ihm hängenden Stegausleger auf Trift. Darüber hinaus freut sich jeder Segler, der von einem längeren Landausflug zurückkehrt, über sein mit Kohlestaub überzogenes Schiff. Direkt im angrenzenden Industriehafen ist eine Verladestation für Kohle. Über Puerto Velero kann ich nur aus der Erzählung eines uns befreundeten Seglers berichten. Die Behördenvertreter dort verweigerten ihm im Februar 2018 auf seiner Weiterreise von Santa Marta nach Cartagena das Anlegen in der Marina Puerto Velero und zwangen ihn, trotz Starkwind, entweder weiter zu segeln oder zu ankern. Das Problem war, dass das nationale Zarpe (Reisedokument für die Fahrt von einem kolumbianischen Hafen zum nächsten) keinen Zwischenstopp in Puerto Velero vorsah. Völlig unflexibel und stur und für Segler schwer zu akzeptieren. Andererseits berichtete ein norwegisches Paar uns im Januar 2019, dass die Marina Puerto Velero fertig gestellt und picobello sei, vor allem die sanitären Einrichtungen. Leider liegt das Umfeld brach, das Hotel ist nicht fertig und auch sonst fehlt noch jedwede Infrastruktur. Cartagena bietet für Segler den Club Náutico und den privaten Club de Pesca. Im Jahr 2018 wurden im Club Náutico die Steganlagen erneuert, sie konnten keine Gastlieger aufnehmen. Ins rollige Ankerfeld wollten wir nicht und deshalb waren wir dankbar einen Platz im Club de Pesca zu bekommen. Wir waren 2018 und 2019 insgesamt drei Mal für 2 bis 4 Wochen dort und fühlten uns sehr sicher und wohl. Latent ist der ewige Staub und Smog, der aus der Stadt herüber geweht wird und sich auf den Schiffe verteilt. Mit viel Putzaufwand ist auch dies zu regeln. Absolut und extremst nervig ist diese Ein- und Ausklarierungsprozedur mittels Agenten. Jede Klarierung, national oder international, muss zwei Tage vorher avisiert werden. Die Pässe sind wegzugeben und werden erst nach Bezahlung der Provision für den Agenten wieder zurück gegeben. Die Provisionen sind nicht durchschaubar. Am fairsten war die internationale Einklarierung in Santa Marta. Alles wird korrekt aufgelistet und auf der Rechnung ausgewiesen. In Cartagena mussten wir für die nationale Einklarierung dem Agenten zunächst einen Vorschuss von 100 US-DOLLAR, ohne jedwede Quittung, geben. Für das internationale Zarpe für Panama weitere 100 US-DOLLAR, für die erneute internationale Einreise von Panama kommend ebenfalls. Das Schiff darf üblicherweise 365 Tage im Land, der Mensch 90 Tage bleiben. Für das Schiff wird eine temporäre Importlizenz (TIP) ausgestellt und dieses Dokument ist wichtiger als der eigene Reisepass. Über unsere Odyssee mit der TIP für Cartagena gibt es auf meiner Website eine eigene Abhandlung.
4. Würden wir wieder mit dem Schiff nach Kolumbien segeln? Nein, definitiv nicht. Die Möglichkeiten für Segler sind so restriktiv, dass wir darauf verzichten können. Das Land ist wunderschön und wir haben auch in den Monaten Februar und März 2018 einige Inlandsausflüge unternommen, aber dafür würden wir, falls wir noch mehr vom Land entdecken wollten, gezielt hinfliegen. Ursprünglich war geplant noch nach Medellín und ins Amazonasdreieck zu fliegen, aber uns fehlte zuletzt die Lust dazu. Die Inseln San Andres und Providencia, die ebenfalls zu Kolumbien gehören lagen ursprünglich ebenfalls bei uns auf der Segelroute. Die bleiben nun an Backbord liegen, denn wir segeln direkt nach Grand Cayman.
Tschüss Cartagena
Großes Kino auf der Sunrise am Abreisetag
Darsteller: DIAN Beamter aus Cartagena, Klarierungs-Assistentin Nicolle, Profi Kapitän Mike von der Motor-Yacht SeaC, Walter und Elke.
Wider Erwarten erscheint der DIAN Beamte mit nur halbstündiger Verspätung bereits um 9 Uhr am morgen. Wir sind angenehm überrascht, er ist zuvorkommend und spricht einigermaßen Englisch, so dass der Verständigung nichts im Wege steht. Er lässt sich die Schiffspapiere vorlegen, sieht nach, ob der Yanmar-Motor mit der Motorennummer xy sich zwischenzeitlich nicht unerlaubt vom Schiff entfernt hat. Er hat keine Einwände, alles noch da, von ihm aus können wir unsere Ausreisedokumente erhalten.
Mit dabei ist Nicolle, die es in den letzten acht Monaten nicht geschafft hat, auch nur eine Begrüßung in Englisch zu formulieren. Als selbsternannte Klarierungs-Agentin. Weshalb auch? Ihr mobiles Endgerät ist mit ihrer Hand verwachsen und der Google-Übersetzer arbeitet. Wir hatten uns zur Einklarierung nicht an sie gewandt, sondern an David Ayorro. Der kam im letzten Jahr nur kurz vorbei um einen Vorschuss zu kassieren, unsere Schiffspapiere, die DIAN Dokumente aus Santa Marta (die hier später die Hauptrolle spielen werden) und Pässe zu kopieren. Für alles weitere schickte er seine kleine Schwester Nicolle. Bereits vor unserer Abreise im Juni letzten Jahres hatten wir mit David und Nicolle ein großes Galama, weil sie uns nur für 6 Monate die DIAN Dokumente (temporäre Importlizenz für die Sunrise) besorgen wollten. Wir hatten jedoch bereits das DIAN Dokument aus Santa Marta/Kolumbien mit einer 12monatigen Importlizenz für Kolumbien im Original in den Händen und deshalb bestanden wir darauf, dass dieses Dokument weiterhin gültig ist. Ablaufdatum 28.02.2019. Ja, sie werden sich drum kümmern. Wir flogen nach Hause. Die Sunrise wurde 7 ½ Monate bei Ferroalquimar eingelagert.
In diesen Monaten geschah genau gar nichts. Ich sehe zufällig in den Akten des DIAN Beamten ein Dokument auf dem steht, dass wir nur bis 28.11.2018 eine temporäre Lizenz haben. Walters Unterschrift darauf ist gefälscht. Jetzt wird es spaßig. Ich wedel mit meinem Dokument aus Santa Marta, der DIAN Beamte zuckt mit den Schultern und verweist auf Nicolle. Da eine Verständigung mit ihr nicht möglich ist, holt Walter unseren Nachbarn. Den Engländer Mike, Profi-Kapitän auf Nobelyachten und perfekt spanisch sprechend. Im Salon der Sunrise stehen nun fünf Personen. Vier versuchen sich zunächst in gepflegter Unterhaltung, der Beamte schaut nur staunend von Einem zum Anderen. Mike übersetzt unser Anliegen, nämlich endlich unser Ausreisedokument und unsere Pässe zu erhalten und verweist darauf, dass wir vom Ablauf unserer Lizenz am 28.11.2018 nichts wussten und zudem nichts unterschrieben hätten. Nicolle weigert sich uns das fertige und von den Behörden unterschriebene Ausreisedokument und unsere Pässe auszuhändigen. Es wird laut zwischen Walter und Nicolle. Mike versucht entschärfend zu übersetzen. Als Walter das Wort „kriminell“ benutzt braucht Mike nichts mehr zu übersetzen. Nicolle versteht dies. Die Versammlung wird aufgelöst. Wir bekommen unser Ausreisedokument und unsere Pässe nicht. Nicolle bekommt ihr Geld nicht. Mike weist sie an, mit wem auch immer zu sprechen und uns die Pässe und Dokumente spätestens um 14 Uhr am Nachmittag auszuhändigen.
Pause.
Keine 15 Minuten später steht Nicolle wieder bei uns am Schiff. Wortlos wandern das Ausreisedokument und unsere Pässe über die Reling. Genau so wortlos wandern die vereinbarten 850.000,00 Pesos auf den Steg. Was war nun der Sinn dieses Theaters? Wir unterstellen, dass sie (David und Nicolle) eine weitere Zahlung rauspressen wollten.
Wir legen umgehend ab. Mike hilft uns noch mit den Leinen, damit es flotter geht. Besten Dank Mike. Ohne dich wären wir jetzt vermutlich noch ein paar Scheinchen los.
Cartagena_2019_12
Ich hoffe, das ist der letzte Beitrag aus Cartagena. Wir wollen morgen los. Ziel Grand Cayman. Unser Vorhaben haben wir bereits am Montag früh unserem Agenten mitgeteilt, damit er unsere Papiere (Zarpe internacional) beibringt und uns bei der Immigration abmeldet. Die Orignalpässe hat er eingesammelt. Es war vereinbart dass wir das Zarpe nebst den gestempelten Pässen heute um 16 Uhr in Empfang nehmen können. Natürlich gegen Übergabe von 850.000,— Pesos. Was kam war eine WhatsApp, dass die Hafenbehörde die Ausreisegenehmigung erst erteilt, wenn sie unser Schiff für seetauglich befunden hat. Der Termin soll morgen um 9 Uhr sein. Da wollten wir bereits weg sein. Aber ohne Pässe und Zarpe geht das nicht. Ich habe einen Hals, so dick wie ein Industrieschornstein. Stinkt nach Erpressung. Cash gegen Papiere. Reicht wohl nicht, dass wir hier gezwungen sind einen Agenten zu nehmen…alles gegen Einwurf größerer Scheine.
Abwarten ob mir der Hals morgen früh platzt.
Cartagena_2019_11
Bei unserer Ankunft im Club de Pesca de Cartagena wurden wir in den ersten Liegeplatz nach dem Kopfsteg eingewiesen. Wir liegen zwischen zwei großen Motoryachten eingekeilt und fühlten uns wie ein Ruderboot zwischen Fahrgastschiffen der weißen Flotte am Bodensee. Außen am Kopfsteg liegt die SeaC, ein wunderbarer Wellenbrecher für den all gegenwärtigen Schwell durch die vorbeifahrenden Boote.
Captain Mike stellte sich gleich nach unserem Anlegemanöver vor und auch seine komplette Putzcrew reichte uns die Hand. So vergingen die Wochentage, man werkelte neben einander her, Smalltalk hier, ein paar spanische Floskeln da. Alle recht freundlich. Am Freitag berichtete uns Mike, dass sein Boss am Wochenende die SeaC von Cartagena nach Santa Marta überführen wolle. Das gute Stück (Schiff) über 5 Mio Euro Wert sollte mit einer großen Party in Santa Marta übernommen werden. Doch Mike hatte auch den Wetterbericht studiert und seinem Boss die Unmöglichkeit einer Fahrt nach Santa Marta erklärt. Der Boss war not amused und trudelte am Freitag in Cartagena ein. Mike musste plötzlich eine Kapitänsuniform tragen und aus der Putzcrew waren plötzlich Buttler mit weißen Hemden und maritimen Shorts geworden. Der Samstag verging mit Vorbereitungen auf der SeaC. Die Einweihungsparty wurde kurzer Hand nach Cartagena verlegt. Kompromiss zwischen Captain und Eigner. Begrüßung der Gäste, ein Willkommensgetränk, Auslaufen in die Lagune von Cartagena zum Sundowner, anschließende Rückkehr zum Liegeplatz und Party bis ultimo.
Naja, so der Plan. Am Ende waren die Gäste aus Santa Marta kommend verspätet, die Sonne war bereits unter gegangen und der Wind hatte derart zugelegt, dass ein Auslaufen unmöglich war. So versammelten sich nach und nach alle Gäste im Laufe des Abends auf der SeaC und taten das was Gäste so tun, sie feierten. Champagner floss im Überfluss, Musik schallte aus den Lautsprechern, schnell war der Abend zum Morgen geworden und die Musik aus den Außenlautsprechern wollte kein Ende nehmen. Als dann um ca. ein Uhr am Morgen der Lautstärkepegel abrupt erhöht wurde platzte Elke der Kragen. Im Schlafdress stürzte sie an Deck griff sich verbal Mike und wies diesen an seinem Boss klar zu machen, dass nun Schluss mit der Veranstaltung sei. PUNKT. Und siehe da nicht eine Minute später war die Musik aus, zwei Minuten später gingen die Gäste, wir hatten ein saublödes Gefühl. Mal wieder den typisch Deutschen rausgehängt. Voll peinlich! Buahh.
Am gleichen Morgen ca. 10 Uhr wir sitzen noch am Frühstück, jeder löffelt aus seiner Müslischale, da kommt Mike, frisch geduscht und mit einer Flasche Rotwein in der Hand um sich für die Unannehmlichkeiten der letzten Nacht zu entschuldigen. Wir sind überrascht und einigen uns auf ein don‘t worry. Keine zwei Stunden später erscheint eine vier Mann starke Truppe an der SeaC, im Gepäck haben sie 6 brandneue natürlich viel größere Lautsprecher. In einer Stunde sind die getauscht, am Nachmittag holt die SeaC ihren Ausflug in die Lagune nach. Am Abend same procedure, Champagner im Überfluss und schrill laute Musik aus den NEUEN Lautsprechern. Mike I think it`s time for another bottle of wine. Oder auf schwäbisch: so laut wie die Musik isch, so viel kannst gar net saufa.
Cartagena_2019_10
Wir sind immer noch in Cartagena. In der karibischen See hat sich ein Starkwindfeld festgesetzt. Es liegt direkt vor der Küste Kolumbiens und somit auf unserem geplanten Weg nach Grand Cayman. Es breitet sich über ca. 200 Seemeilen aus. Das heißt, wir würden sehenden Auges direkt dort rein segeln. Nein, ich brauche keine Starkwindböen und schon gar nicht mit 40 Knoten und zweimal nicht in der Nacht. Zudem noch nach siebenmonatiger Segelpause. Von der dort stehenden Welle ganz zu schweigen.
Es gibt schlimmere Orte zum Warten. Das Essen im Food Truck ist gut, die Sushi Läden kennen uns bereits und bei Italiener werden wir schon mit Handschlag begrüßt.
Zwischenzeitlich haben wir 100 Liter Trinkwasser in PET-Flaschen eingekauft und die üblichen Grundnahrungsmittel im Bauch der Sunrise verstaut. Es fehlen nur noch die frischen Lebensmittel, wir wären startklar.
Aus lauter Jux und Tollerei leihen wir uns den Gummifisch vom Club für eine Fotosession. Hier wird alles mit Kameras aufgezeichnet, wir gönnen dem Nachtwächter den Spaß – und uns auch.

Cartagena_2019_9
Morgens, kurz nach Sonnenaufgang, also zu nachtschlafender Zeit, ist es windstill. Die Temperatur ist noch erträglich und deshalb wird auf der Sunrise gearbeitet. Das Großsegel muss aus dem Vorschiff gewuchtet werden und in den Rollmast eingezogen werden. Dito das Vorsegel. Schweißtreibende Arbeit. Danach ist erst mal Frühstückspause. Bevor es richtig heiß wird, werden hier und da noch Kleinigkeiten erledigt. Dinge von A nach B geräumt, sodass sie am nächsten Tag unauffindbar sind und b.a.w. auch bleiben. Ein wohnliches Schiff sieht anders aus. Um die Mittagszeit legen wir uns in den Schatten und ruhen. Der Nachmittag vergeht wie im Flug und das Highlight des Tages ist das Abendessen. Entweder beim Italiener (frisch renoviert), beim Ceviche-Stand, im Sushi-Lokal oder im Foodtruck Court. Die drei letztgenannten werden überwiegend von Einheimischen besucht, sind preiswert, frisch und gut.
Cartagena_2019_8
Viel Arbeit steht an. Bis hoch zum Masttop ist das Schiff eingesaut. Ich hänge mit Microfasertuch und Wasserschlauch ausgestattet im Bootsmannstuhl. Walter winscht mich bis zum Masttop hoch. Mit dem Wasserschlauch versuche ich den gröbsten Dreck vom Mast und den Wanten zu spritzen. Sorry liebe Nachbarlieger, bei dem Gewell hier geht viel daneben. Mit dem Microfasertuch werden die Wanten abgerieben, bleibt das Tuch hängen ist es schlecht, weil dann wären die Wanten angegriffen. Sind sie nicht. Auch die Terminals und die Sicherungsbolzen mit Splinten sind in Ordnung. Nur etwas Schwund ist dabei. Über dem Radar sitzt eine kleine Antenne, deren Fuß ist korrodiert und hält dem Kontakt mit meinem Knie nicht Stand. Da muss der Fachmann ran. Walter wird selbst ins Rigg gehen und dies provisorisch mit Kabelbindern wieder fixieren. Provisorien halten üblicherweise am längsten.
Sechs neue Batterien wurden ebenfalls geliefert. Walter hat sie selbst eingebaut. Fettes Lob! Es funktioniert. Wir haben jetzt frische
Servicebatterien und je eine neue Batterie für die Ankerwinsch und das Bugstrahlruder. Der Superwind Windgenerator und die Solarzellen laden die Batterien zuverlässig auf. Nur in der Nacht verweigern die Solarzellen den Dienst. Kaum zu glauben aber wahr, der Schwabe in mir hat es getestet und das Panel zum Flutlichtstrahler am Steg hin ausgerichtet. Tut net.
Spässle gmacht.
Cartagena_2019_7
Endlich im nassen Element. Am Dienstagvormittag rollt der Marine Travelllift an und hängt die Sunrise in die Gurte. Wir können am Bord bleiben, erstaunlich bei den strengen Sicherheitsvorkehrungen hier. So erleben wir hautnah eine freischwebende Schifffahrt durch die Luft. Sanft wird die Sunrise in der Kranbox ins Wasser gelassen. Alle Borddurchlässe werden geprüft. Das neu gedichtete Ruderlager, die Seeventile etc. bleiben trocken, der Motor springt zuverlässig an (die Starterbatterie hatte auch als einzige die sieben Monate ohne Ladung überlebt), auch die Navigationsinstrumente zeigen Werte an. Wir zögern nicht lange und fordern einen Piloten an, der uns durch das flache Wasser geleitet. Nichts wie weg hier aus dem Dreck. Nicht Ferroalquimar ist das Problem, gut der Hof gleicht der Sahara und der Wind hilft kräftig mit, alles einzupudern; das größte Problem sind die umliegenden Großschiffswerften. Steht der Wind schlecht kommt Ruß, Flugrost, Farbnebel, irgendwelches Giftzeugs angeweht und legt sich auf den eingelagerten Schiffe nieder. Entsprechend eingesaut sieht die Sunrise aus. Die Sunrise hat Akne. Das toppt alles seither dagewesene. Ansonsten macht die Werft viel damit sich die Kunden künftig wohler fühlen. Die neuen Duschen und Toiletten sind fast fertig, das werfteigene Restaurant bietet Mittagessen und im Aufenthaltsraum gibt es eine Teeküche und auch eine saubere Toilette. Eine immense Verbesserung. Vor sieben Monaten hatte ich ein Foto von der Dusche und dem WC hochgeladen. Furchtbar war es. Trotzdem würden wir, falls wir nochmals hier her kommen müssten, nicht auf dem an Land stehenden Schiff wohnen. Bei dem was hier alles durch die Luft gewirbelt wird, ist der Feinstaub am Stuttgarter Neckartor ein Witz hoch zehn. Außerdem ist es an Land viel zu heiß.
So kommen wir einen Tag früher als mit der Büroleiterin vereinbart mit der Sunrise im Club de Pesca de Cartagena an. Wir melden uns über UKW Funk Kanal 71 beim Jefe de Muelle, Nestor Castro Viana. Mein Spanisch reicht soweit, vorbereitete Sätze fehlerfrei zu formulieren. Mit der Antwort wird es schon etwas schwieriger. Wir sollen warten. Der Jefe weiß von nichts. Absolut normal. Hilft nur vor der Marina rumzubutschern und auf ein ok zu warten. Es folgt das übliche umfangreiche und absolut unverständliche Palaver. Hier hilft Doofstellen und Nix verstehen ungemein weiter. Kurzum wir bekommen bald einen Liegeplatz an der Muelle 3 zugewiesen. Schiff anbinden, abschließen und schnellstens diesen Ort des Grauens für heute verlassen. Zurück ins Hotel und eine ausgiebige Dusche nehmen, dann zum Japanischen Restaurant zum Abendessen. Ab morgen wird gewienert. Dann ziehen wir auch offiziell ein. Es war gut, dass ich das Hotel im Vorfeld bereits für elf Tage eingebucht hatte. Wir mussten aus vorstehenden Gründen um zwei Tage verlängern.













