Novemberblues

Immer, wenn wir aus der Ferne zurück nach Deutschland kommen wundern wir uns über das Rumgejammer und die allgemeine Unzufriedenheit.

Mensch Leute, uns geht es verdammt gut!
Wir haben eine funktionierende Infrastruktur, eine nicht korrupte Verwaltung und Regierung.

Je länger wir im Land sind, desto weniger zufrieden werden auch wir.

Infrastruktur: ja, die Müllabfuhr kommt immer zuverlässig, Energie- und Wasserversorgung läuft, beim öffentlichen Nahverkehr im Großraum Stuttgart sind einige Abstriche zu machen, die Deutsche Bahn ist besser als ihr Ruf. Bildungswesen und Forschung kann ich nicht beurteilen, aber beim Gesundheitswesen und bei den anderen sozialen Dienstleistungen kann ich zwischenzeitlich richtig gut mitreden. Wir haben gute Ärzte und eine fortschrittliche Apparatemedizin. Aber ein absolutes Pflegedesaster. Weder genügend qualifiziertes Personal (Herr Spahn, die 13000 neuen Pflegestellen sind allein im Großraum Stuttgart von Nöten) noch genügend bzw. keine Pflegeplätze in Pflegeheimen für schwerstkranke Personen. Das Pflegepersonal in Kliniken ist so überlastet, dass uns jegliches Vertrauen abhanden gekommen ist. Wir hoffen nur, dass es zu keiner Medikamentenverwechslung etc. kommt.
Während wir in Deutschland damit beschäftigt sind täglich ins Krankenhaus zu fahren um die Versorgung meines Vaters zu kontrollieren, wie gesagt kein Vertrauen mehr, steht die Sunrise in Cartagena/Kolumbien an Land. Wir haben eine temporäre Importlizenz bis 28.02.2019, das heißt spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen wir mit dem Schiff aus Kolumbien raus. Für eine Verlängerung dieser Lizenz um ein weiteres Jahr muss der Eigner persönlich anwesend sein. Weder die Werft, bei der die Sunrise an Land steht, noch der für die Behördengänge zwingend erforderliche Agent ist willens und bereit dies ohne unsere Anwesenheit zu erledigen. Ein Witz, denn die Dokumente sind vor Ort und wir haben noch nie einen einzigen Beamten oder Hafenkapitän persönlich zu Gesicht bekommen. Die Schiffspapiere werden dem Agenten übergeben und der macht nach Übergabe diverser Geldscheine seine Arbeit, fertig.
So haben wir beschlossen, dass Walter alleine am 15.01.2019 nach Cartagena fliegt und versucht mit dem Agenten das Thema Verlängerung der Importlizenz durch zu bringen. Falls nicht, werde ich ebenfalls nach Kolumbien fliegen müssen und wir bringen die Sunrise gemeinsam aus dem Land. Vielleicht nach Panama, wo wir nicht noch einmal hin wollten oder vielleicht dürfen wir auch wieder nach Kolumbien einreisen und die Sunrise nochmals für einige Zeit dort an Land stellen. Unsere Reise wird auf jeden Fall erst fortgesetzt, wenn sich die familiäre Situation in Deutschland entspannt hat.