Nachtrag zum Guggenheim Museum Bilbao

Schon fast ein kleines bisschen enttäuscht über die inneren Werte des Museums (die zwei Wechselausstellungen, Braque und Ono – aber kaum eigener Bestand ausgestellt, bis auf die Objekte von Serra im EG) wollten wir gerade das Gebäude verlassen, als uns im Erdgeschoss ein weiterer Raum auffiel. Im Zugang stand in großen Lettern „The Visitors“ von Ragnar Kjartansson. Es ist eine Videoinstallation des isländischen Künstlers. In einem großen Darkroom sind zehn große Videoleinwände aufgestellt. Auf jeder Leinwand wird ein Zimmer mit einem Musiker gezeigt. Im Zentrum dieses Darkrooms teilt eine Leinwand den Raum in zwei Hälften, auf dieser Leinwand wird eine 200 Jahre alte Landvilla gezeigt, in der das Ganze spielt. Auf deren Außenterrasse sitzt eine kleine Gruppe junger Menschen, die mit Begleitung einer Gitarre einen Chor bildet. Im Vordergrund, unter einem kleinen Sonnenschirm im Gras, sitzt, fast unbeteiligt, ein alter Mann mit einem Feuerwehrhelm auf dem Kopf sowie daneben ein junger Mann. Vor den Beiden steht eine kleine Kanone, im krassen Gegensatz zu dieser doch ganz friedlichen Stimmung. Im Inneren der Villa sitzt je ein Musiker mit seinem Instrument in einem Raum. So zum Beispiel sitzt Ragnar Kjartansson mit seiner Gitarre im Badezimmer in der Badewanne. Oder der Schlagzeuger in der Küche, eine Cellistin im Schlafzimmer, ein E-Bassist in der Bibliothek, ein E-Gitarrist im Gästezimmer, ein Pianist im Salon. Jeder für sich alleine mit seinem Instrument und einem Kopfhörer auf dem Kopf musizierend. Jeder Musiker spielt für sich seinen Part der Komposition. Über die Kopfhörer können sie hören was die Anderen spielen, die Verbindung ist die Musik. Der Betrachter hört im Darkroom die „komplette“ Musik, je nachdem, zu welcher Leinwand er sich bewegt, hört er den Einzelnen mehr oder weniger. Es ist eine sehr schöne Komposition und man merkt in einigen Phasen, dass vieles improvisiert wird. Immer wieder hebt sich der Soundteppich, der Chor setzt mit ein, dann beruhigt sich die Szene wieder und der Gitarrist in der Badewanne spielt fast solo. Ein ständiges Auf- und Abwogen und an einem Punkt, wenn gerade mal wieder einer dieser Höhepunkte erreicht ist, steht der alte Mann aus dem Gras auf, der Jüngere entzündet einen Gasbrenner mit dem der alte Mann, genau zum richtigen Zeitpunkt im Takt, die Kanone zündet. Verrückt, aber irgendwie muss sich diese Spannung ja mal entladen.
Nach einer halben Stunde spielten die Musiker immer noch. Auf einer Beschreibung zu dieser Installation haben wir gelesen, dass das komplette Stück 64 Minuten dauert, und zwar so lange bis der Gitarrist der Badewanne entsteigt und die anderen Musiker aus der Villa führt. Uns hat es wirklich gut gefallen, nicht nur wegen des sehr schönen Soundtracks, sondern auch wegen der Stimmung, die diese Videos erzeugt haben, alles sehr ruhig, aber doch mit Spannung. Viele Besucher haben sich auf den Boden gesetzt und sich mitnehmen lassen. Wen es interessiert, der kann ja mal im Netz unter „The Visitors“ von Ragnar Kjartansson suchen. Von der Videoinstallation im Migros-Museum in Zürich gibt es ein youtube video. Leider konnte ich bis jetzt noch nicht herausfinden wo bzw. wie ich an den kompletten Soundtrack komme.